Stipendium Plus
© Heidi Scherm. Quelle: sdw
© Heidi Scherm. Quelle: sdw

Universität für Flüchtlinge – Wie uns die Begabtenförderung der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit dazu brachte, die Digitalisierung der Hochschullandschaft und Flüchtlingsarbeit „zusammen zu denken“. 

Vincent Zimmer, Stipendiat in der Grundförderung 2009-2012, in der Promotionsförderung seit 2014

Markus Kreßler, in der Grundförderung seit 2010

Immer mehr Menschen sind gezwungen, ihre Heimatländer aufgrund von Kriegen oder Unruhen zu verlassen. Schätzungsweise 60 Millionen Menschen befinden sich seit Jahresbeginn weltweit auf der Flucht. In der ersten Hälfte dieses Jahres wurden alleine in Deutschland 142.000 Asylanträge gestellt. Die Zahl der Flüchtlinge, die bis Ende 2015 nach Deutschland strömen werden, wurde auf 1 Million geschätzt. Viele von ihnen sind akademisch gebildet, haben bereits ein Studium begonnen oder stehen am Anfang ihrer beruflichen Bildung. Doch in Deutschland angekommen sind sie zum Nichtstun verdammt: Ohne genehmigten Asylantrag, ohne Aufenthaltserlaubnis, ohne Arbeitsgenehmigung, ohne die nötigen Einkünfte sind ihnen fast alle Wege zu einer sinnvollen Tätigkeit verschlossen. Die Bearbeitung ihrer Anträge dauert meist Monate.

Das bestätigt Markus Kreßler, der in der psychosozialen Beratung in Berlin ehrenamtlich tätig ist: “Jeder, mit dem ich gesprochen habe, möchte etwas tun; möchte sich nützlich machen, die Sprache lernen oder arbeiten. Nichts zu tun ist eine zusätzliche Belastung. Die Flüchtlinge fühlen sich, als steckten sie fest und gewissermaßen tun sie das auch. Sie können nur noch eingeschränkt selbst über ihr Leben bestimmen.”

Schon seit Sommer 2014 beschäftigte sich Vincent Zimmer mit neuen und innovativen Lernkonzepten. Mithilfe modernster Technologien und unter Berücksichtigung neuer Erkenntnissen zu Lernmethoden entwarf er ein Konzept für eine gänzlich neue Universität 2.0.

Vincent und Markus kannten sich nicht persönlich, trafen aber auf dem stipendiatischen Konvent der Friedrich-Naumann-Stiftung im September 2014 aufeinander. Der Konvent, die konstituierende Versammlung der Stipendiatenschaft, hatte sich die Flüchtlingskrise zum Themenschwerpunkt gesetzt. Beide erkennen sofort das Potenzial, die von Ihnen angedachten Konzepte miteinander zu verknüpfen. Die Idee, eine Universität für Flüchtlinge zu gründen, wird in einer Diskussionsgruppe im Open Space geboren und im Konzept der Kiron University umgesetzt. 

Heute, gut ein Jahr später, steht die Kiron Universität in den Startlöchern. Die ersten Kurse starten im Oktober 2015. Kiron geht vor allem auf die bürokratischen Hürden, mit denen Flüchtlinge aktuell konfrontiert werden, ein. Das Studium bei Kiron ist gebührenfrei, unbürokratisch und standortungebunden. Der wichtigste Vorteil liegt jedoch ganz wo anders: Kiron bietet seinen Studierenden die Möglichkeit, sofort mit dem Studium beginnen zu können. Anders als bei der Ausübung eines Berufes oder einer Immatrikulation an einer deutschen Hochschule, muss keine Aufenthaltsgenehmigung, keine Hochschulzugangsberechtigung, kein Sprachzertifikat oder keine Duldung nachgewiesen werden. Mit all diesen formellen Zulassungsvoraussetzungen haben die Studierenden bis zu ihrem Abschluss Zeit. Für den Anfang genügt ein Nachweis der Identität und des Status als Asylsuchender. Für Flüchtlinge bedeutet das einerseits, einen wichtigen Zeitpuffer gewonnen zu haben. Andererseits räumt es die Option ein, wertvolle Integrationszeit nicht ungenutzt verstreichen lassen zu müssen. Flüchtlinge erhalten eine echte Chance auf Hochschulbildung und damit die Möglichkeit, aus eigener Kraft ein neues Leben zu beginnen. 

Die Begabtenförderung der Naumann-Stiftung begleitete uns durch unser gesamtes Studium und hat uns dabei nicht nur finanziell, sondern auch in unserer menschlichen Entwicklung unterstützt und gefördert: Sei es durch die vielen spannenden Seminare im Rahmen der ideellen Förderung, die Mitwirkung in der stipendiatischen Selbstverwaltung oder auch durch die persönliche Unterstützung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Stiftung. Wir fühlten uns verstanden und man hörte uns zu. Das ist die Basis, auf deren Grundlage wir es uns zur Aufgabe gemacht haben, Flüchtlingen den Zugang zu Hochschulbildung ermöglichen und dabei gleichzeitig ein liberales, hochschuldidaktisches Konzept zu entwerfen, welches den Menschen, das Individuum, in den Mittelpunkt stellt. 

Mittlerweile werden wir von vielen anderen Stipendiaten unterstützt und sind immer wieder begeistert, welche Möglichkeiten uns die liberale Stiftung für die Umsetzung von innovativen Projekten bietet. Gerade am Anfang war das Netzwerk der Stiftung für uns sehr wichtig, um für unsere Idee Gehör zu finden. Wir sind überzeugt, dass die Begabtenförderung auch in Zukunft neue und verrückte Ideen aus der Stipendiatenschaft begleiten wird.

Großartig ist übrigens auch, dass die Umsetzung des Projektes mittlerweile ein stiftungsübergreifendes geworden ist. Die Kiron University (https://kiron.university/) hat Mitstreiterinnen und Mitstreiter aus fast allen Begabtenförderungswerken. Die Gemeinschaft der werkeübergreifenden Kooperation trägt unser Projekt weiter. Unser Dank gilt daher allen anderen Begabtenförderungswerken, die maßgeblich dazu beitragen, dass eine neue Generation an eigenverantwortlichen und engagierten junge Menschen nicht wegschaut, sondern sinnvoll hilft. 


Hier gelangt ihr zu den anderen Einblicken des Monats:

September 2015: Vereinbarkeit von Studium, Ehrenamt und Familie dank der Unterstützung durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung

August 2015: DAS JOURNALISTISCHE FÖRDERPROGRAMM DER HANNS-SEIDEL-STIFTUNG 

Juli 2015: Willkommenskultur gegenüber Flüchtlingen.  Eine Perspektive zweier Stipendiatinnen des Avicenna-Studienwerks 

Juni 2015: Chen Jerusalem, Alumnus des Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks über sein Studium und seine Abschlussarbeit „Cover the Body with Feelings“ 

Mai 2015: Erstes Absolventenkonzert mit Stipendiatinnen und Stipendiaten aus der Musikerförderung des Cusanuswerks

April 2015: Mitbestimmen und über den Tellerrand schauen — das Evangelische Studienwerk ermöglicht neue Perspektiven

März 2015: Den Gründergeist schon während des Studiums entdeckt

Februar 2015: Bericht von Ronny Zimmermann, Stipendiat der Journalistischen Nachwuchsförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung

Januar 2015: Das FES-Bildungsprogramm von und für Stipendiat_innen 

Dezember 2014: Begabtenförderung der Friedrich-Naumann-Stiftung

November 2014: STUDIENSTIFTUNG ZEICHNET BESONDERES ENGAGEMENT AUS: MAXIMILIAN OEHL ERHÄLT DEN „WEITER?GEBEN!“-PREIS 2015

September 2014: Mein Weg zur Hans-Böckler-Stiftung und die Förderung der Stiftung

August 2014: Materielle und ideelle Ermöglichung zum Andersdenken mit einem Stipendium der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Juli 2014: Kleine Klassen, echte Profis als Lehrer

Juni 2014: WEITER HORIZONT, ENGE GRENZEN? – Austausch ohne Grenzen in offenes Netzwerk als Teil der „Villigster Gemeinschaft“

Mai 2014: Bericht von Nina Schießl (Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk)

April 2014: Aufbrechen zu neuen Zielen. Mit den Begabtenförderwerken in die Welt. (Bericht von Maria Dillmann, Cusanuswerk)

März 2014: muslimisch – talentiert – engagiert. Avicenna-Studienwerk startet mit der ersten Bewerbungsphase

Februar 2014: "Bei der Stiftung der Deutschen Wirtschaft kommen Studierende aus allen Fachrichtungen zusammen"

Januar 2014: Studieren und Promovieren mit einem Kind oder – man mag es kaum glauben - sogar mehreren Kindern? (Bericht von Helen Schmitt-Lohmann und Laura Solzbacher, Konrad-Adenauer-Stiftung)

Dezember 2013: Ein Tag aus meinem Leben als Stipi von Tina Jung, Stipendiatin der Friedrich-Ebert-Stiftung

November 2013: Abschlussbericht von Olivia Güthling, Altstipendiatin der Friedrich Naumann-Stiftung

 

Avicenna Studienwerk
Cusanuswerk e.V.
Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk
Evangelisches Studienwerk e.V. Villigst
Friedrich-Ebert-Stiftung
Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit
Hans Böckler Stiftung
Hanns Seidel Stiftung
Heinrich Böll Stiftung
Rosa Luxemburg Stiftung
Stiftung der deutschen Wirtschaft
Studienstiftung des deutschen Volkes