„Auf das Avicenna-Studienwerk bin ich zunächst durch Bekannte sowie Kommiliton:innen aufmerksam geworden. Ihnen bin ich sehr dankbar, denn zuvor kannte ich Avicenna nicht. Ich bin die Älteste von drei blinden Geschwistern und befand mich damals im ersten Semester. Gerade hatte ich das Abitur an einem Regelgymnasium absolviert und war für das Studium in ein Studentenwohnheim gezogen, das eine gute Stunde von meinem Elternhaus entfernt ist. Der Umzug bedeutete für mich, dass ich mich an ein ganz neues Umfeld gewöhnen musste. In der Anfangsphase meines Studiums erhielt ich leider keine Unterstützung wie beispielsweise durch eine Studienassistenz oder ein Orientierungstraining für Menschen mit Sehbehinderung, sodass meine Familie und ich auf uns selbst gestellt waren. Es war keine einfache Phase für uns. Meine Eltern und Geschwister haben aber alles dafür getan, mich in dieser Zeit zu unterstützen, weshalb ich ihnen sehr dankbar bin. Dadurch gelang es mir trotz anfänglicher Schwierigkeiten, nicht nur das Semester erfolgreich abzuschließen, sondern auch mein Ehrenamt fortzuführen. Auf den mehrfachen Vorschlag hin, mich bei Avicenna zu bewerben, erkundigte ich mich auf der Webseite und sah mir einige Videos an, um mir ein näheres Bild vom Studienwerk zu machen. Der erste Eindruck war sehr positiv: Es spiegelte sich eine wundervolle Atmosphäre wider. Ich war sowohl von der stipendiatischen Gemeinschaft als auch den gemeinsamen Projekten sehr angetan, sodass ich den Wunsch verspürte, ebenfalls Teil der Avicenna-Familie zu werden.
Während der Bewerbungsphase konnte ich die Bewerberhotline anrufen und meine offenen Fragen klären. Die telefonische Beratung verlief sehr freundlich und aufschlussreich. Im Anschluss an die Bewerbung erhielt ich die Einladung zum Vorstellungsgespräch. Es handelte sich um mein erstes Bewerbungsgespräch bei einem Begabtenförderungswerk. Dementsprechend war ich zu Beginn leicht angespannt. Die Nervosität verschwand jedoch schon beim herzlichen Empfang. Auch das in der Kommission sitzende Team war sehr nett und äußerst positiv gestimmt. Nach der Zusage erhielt ich die Möglichkeit, bei den Willkommenstagen in Münster das Studienwerk und meine Mitstipendiat:innen über ein Wochenende hinweg näher kennenzulernen. Die ersten Kontakte waren erfolgreich geknüpft.
Bei Avicenna bin ich auf sehr viele begabte, motivierte und engagierte Studierende verschiedenster Fachrichtungen aus ganz Deutschland getroffen. Ich bin wirklich jedes Mal aufs Neue von dem Austausch inspiriert und bekomme die gemeinschaftliche Atmosphäre immer wieder zu spüren. Nicht nur innerhalb des Studienwerkes, sondern auch außerhalb bleiben wir mit den Stipendiat:innen stets in Kontakt und unterstützen uns gegenseitig. Wir nehmen an regelmäßigen Regionalgruppentreffen teil, für die wir monatlich zusammenkommen und uns über ausgewählte Themen austauschen. Für die fachliche Förderung gehören wir entsprechend unseres Studienfachs Arbeitsgruppen (AG) an. So erhalte ich z.B. in der AG Jura die Möglichkeit, gemeinsam mit anderen Stipendiat:innen Ideenkonzepte für das Ideelle Förderprogramm zu erstellen und diese umzusetzen. Für mich ist dabei insbesondere bereichernd, dass wir fachliche Themen wie die juristische Normenlehre auch im Kontext der Religion beleuchten und so der Bezug zum Islam gegeben ist. Avicenna bietet auch fächerübergreifende und interdisziplinäre Programme an, sodass wir über unseren eigenen Tellerrand hinausschauen können. Dies bedeutet mir sehr viel, da ich ansonsten keine Gelegenheit hätte, mich in dieser Hinsicht weiterzubilden. Zudem habe ich von einem interreligiösen Dialog unter Studierenden aus meiner Region profitiert.
Das Highlight ist das obligatorische Jahrestreffen, welches einmal pro Jahr stattfindet und bei dem alle Stipendiat:innen in schöner Umgebung zusammenkommen. Vor Beginn der Pandemie hatte ich glücklicherweise noch die Chance, das Jahrestreffen miterleben zu können. Lehrreiche Seminare, Workshops und spannende Diskussionen sowie der Austausch geprägt vom Avicenna-Spirit zeichnen das Treffen aus. Meine Motivation, mich mit neuen Themen zu beschäftigen, wurde dadurch gestärkt.
Anfang 2021 habe ich mit vier Stipendiat:innen zusammen ein dreitägiges Seminar zum Thema Inklusion durchgeführt. Dieses setzte gemeinsam mit einem weiteren Projekt zur Barrierefreiheit einen Meilenstein für die Gründung des Arbeitskreises Inklusion. Ich freue mich darüber, mit dem frisch gegründeten Team zusammenzuarbeiten und neue spannende Projekte auf die Beine zu stellen. Als muslimische Studierende mit Behinderung ist es für mich von großer Bedeutung, dass auch für uns ein Raum offensteht, um im Studienwerk für das Thema zu sensibilisieren und aufzuklären. Avicenna hat mehrere Studierende mit Behinderung aufgenommen und spiegelt unsere vielfältige Gesellschaft auch in dieser Hinsicht wider. Die Geschäftsstelle ist stets bemüht, alles so barrierefrei wie möglich zu gestalten und geht immer auf unsere individuellen Bedürfnisse ein. Für diesen rücksichtsvollen Umgang bin ich der Geschäftsstelle sehr dankbar und weiß dies zu schätzen.
Insgesamt unterstützt mich das Avicenna-Studienwerk umfassend auf meinem Bildungsweg. Stipendiatin des Avicenna-Studienwerkes zu sein, ist nicht nur ein großer Mehrwert für meine Studienphase, sondern auch gewinnbringend für meine Zukunft.
Im vergangenen Sommersemester habe ich meinen Schwerpunkt in Kriminologie und Strafrecht abgeschlossen und befinde mich aktuell in der Vorbereitungsphase für das erste Staatsexamen, sodass ich mich so langsam dem Ende meines Studiums und damit auch der prägenden Zeit bei Avicenna nähere. Dennoch möchte ich sehr gerne auch nach meinem Studium mit Avicenna in Kontakt bleiben. Umso mehr freue ich mich, dass die Verbundenheit zur Avicenna-Familie im Alumni-Netzwerk fortgelebt wird. Ob ich im Anschluss an mein Studium promoviere oder vorerst mit meinem Referendariat beginne, habe ich noch nicht endgültig entschieden. Ich möchte mich jedoch weiterhin dafür einsetzen, Brücken zu bauen und Barrieren zu beseitigen.“