Bericht von Silvia: (Un)mögliche Bildung(swege)? Nichts ist unmöglich!
Silvia war seit 2011 Studienstipendiatin der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Sie ist in der ersten Aufnahmerunde des Lux Like Studium Programmes (für Studienanfänger*innen ohne akademischen Bildungshintergrund) in die Förderung aufgenommen worden. Ehrenamtlich ist sie in verschiedenen Gruppen im Bereich Menschenrechte, intersektionaler Feminismus, Unterstützung von Geflüchteten und Konfliktforschung tätig. Sie hat während ihrer Förderung mehrere Regionaltreffen in Baden-Württemberg organisiert, unter anderem zum Antiziganismus und der Verfolgung von Oppositionellen in der Türkei.
„Von hundert Kindern mit mindestens einem studierten Elternteil beginnen 74 ein Studium, von denen wiederum 63 einen Bachelorabschluss machen, 45 noch einen Master dranhängen und schließlich 10 eine Promotion absolvieren. Von hundert Kindern, deren Eltern keine Hochschule besucht haben, beginnen nur 21 ein Studium, schaffen nur 15 einen Bachelor, machen nur 8 bis zum Master weiter – und nur eine einzige Person erlangt den Doktorgrad.” - so zitiert die Zeit aus dem Hochschul-Bildungs-Report 2017. Obwohl man dies als Arbeiterkind an der Uni im Gespräch mit Kommiliton*innen oft vermutet, zeigen diese Zahlen uns doch schwarz auf weiß wie stark die eigene Herkunft im deutschen Bildungssystem bis in die Universität hinein wirkt.
Ich war von 2011 bis 2017 Stipendiatin im Lux Like Studium Programm und habe in diesen sechs Jahren meinen Bachelor- und Masterabschluss in Politikwissenschaft an der Universität Heidelberg, sowie einen Master im Völkerrecht an der Universität Amsterdam absolviert. Aktuell promoviere ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max Planck Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg. Als Erste meiner Familie, die Abitur machte und an die Universität ging, war eine Zukunft in der Wissenschaft für mich immer unvorstellbar – und wäre ohne die Unterstützung der RLS auch unmöglich geblieben.
Als Lux Like Stipendiatin wurde ich schon vom Beginn meines Bachelorstudium an in die Förderung aufgenommen. Während meiner Schulzeit hatte ich noch gedacht, dass Stipendien nur etwas für die „Bildungselite“ ist, für Akademikerkinder mit einem Einser-Abitur und Klarinettenunterricht. Erst als ich von der besonderen Förderung von Erstakademiker*innen im Rahmen des Lux Like Programmes gehört habe, habe ich mich angesprochen gefühlt und kann daher nur jeden ermutigen dies auch zu tun. Die RLS hat mir vor allem gezeigt wie divers wir als Stiftung und Stipendiat*innen sind, dass der Mensch nicht nur sein Notendurchschnitt ist, sondern im Ganzen betrachtet wird. Nicht jede/r Studierende steht vor den gleichen Herausforderungen, daher wird mit einem Nachteilsausgleich auf die individuelle Situation des Studierenden Rücksicht genommen.
Die RLS hat mich in den letzten sechs Jahren nicht nur finanziell unterstützt und mir damit ermöglicht, mich auf mein Studium zu konzentrieren ohne meinen Lebensunterhalt durch Lohnarbeit selber zu finanzieren, mein ehrenamtliches Engagement weiterhin auszuüben und viele zusätzliche Erfahrungen wie ein Auslandsstudium, Praktika im In- und Ausland etc. zu machen, sie war mir vor allem auch immer eine ideelle und menschliche Stütze. Als Erste an der Uni ist man bei vielen inhaltlichen und organisatorischen Fragen an der Uni auf sich alleine gestellt. Wohingegen andere Studierende ein Netz von Freunden und Familie hatten, die sie um Rat fragen können, müssen wir Erstakademiker*innen uns dieses erst einmal aufbauen. Meine Ansprechpartner*innen im Studienwerk der RLS waren für mich dabei immer essentiell. Sie hatten immer ein offenes Ohr und konnten bei vielen Fragen weiterhelfen. Durch die verschiedenen Veranstaltungen der Stiftung wie bspw. Regionaltreffen, Ferienakademien und Exkursionen konnte ich auch viele meiner Mitstips besser kennen lernen. Vor allem der Austausch mit ihnen hat mir gezeigt, dass ich mit meinen Erfahrungen nicht alleine bin und ich habe gelernt wie ich meine Stärken, die ich durch meine Herkunft habe, positiv nutzen kann.
Hier gelangt ihr zu den anderen Einblicken des Monats:
Oktober 2017: Werte verbinden von Markus Hadwiger
September 2017: Alumni 1.0 – Ein Einblick in das Leben danach
August 2017: ELES – ein Ort für Machloket (Streitbarkeit)
Juli 2017: "Puzzlestücke – Wie aus einem Forschungsprojekt in der Mongolei Lebensphilosophie wurde"
Juni 2017: "Bewirb dich! - auch wenn es große Hürden zu geben scheint!"
Mai 2017: "Eine Millionen mal praktische Hilfe für Geflüchtete"
April 2017: "Ein Blick über den Tellerrand"
März 2017: "Deswegen ist es gut, FES-Stipendiat_in zu sein"
Februar 2017: "Ich studiere" klang für mich ähnlich utopisch wie "Ich fliege zum Mars".
Januar 2017: "Als Botschafter setze ich mich für mehr Chancengleichheit in der Bildung ein."
Dezember 2016: „Ein vielfältiges Netzwerk aufbauen“
November 2016: „Ich wollte mich ausprobieren“
Oktober 2016: Bericht von Amina & Corinna
September 2016: Dankbarkeit – ein Bericht von Andreas Wüst
August 2016: Vom Willkommen Heißen zum Ankommen Helfen - Das Flüchtlingslotsenprojekt „Unsere Zukunft. Mit Dir!“
Juli 2016: Denkraum und Diskursmaschine
Juni 2016: Bericht von Lucas Uhlig
Mai 2016: Als Erster in der Familie studieren? Klar, mit einem Stipendium!
April 2016: Den Geflüchteten ein Gesicht geben
März 2016: Bericht von Franziska Pflaum
Februar 2016: Einblick des Monats
Januar 2016: Einblick des Monats
Dezember 2015: 90 Jahre, 90 Köpfe
November 2015: Große und kleine Transformationen
Oktober 2015: Universität für Flüchtlinge
September 2015: Vereinbarkeit von Studium, Ehrenamt und Familie dank der Unterstützung durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung
August 2015: DAS JOURNALISTISCHE FÖRDERPROGRAMM DER HANNS-SEIDEL-STIFTUNG
Juli 2015: Willkommenskultur gegenüber Flüchtlingen. Eine Perspektive zweier Stipendiatinnen des Avicenna-Studienwerks
Juni 2015: Chen Jerusalem, Alumnus des Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks über sein Studium und seine Abschlussarbeit „Cover the Body with Feelings“
Mai 2015: Erstes Absolventenkonzert mit Stipendiatinnen und Stipendiaten aus der Musikerförderung des Cusanuswerks
April 2015: Mitbestimmen und über den Tellerrand schauen — das Evangelische Studienwerk ermöglicht neue Perspektiven
März 2015: Den Gründergeist schon während des Studiums entdeckt
Februar 2015: Bericht von Ronny Zimmermann, Stipendiat der Journalistischen Nachwuchsförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung
Januar 2015: Das FES-Bildungsprogramm von und für Stipendiat_innen
Dezember 2014: Begabtenförderung der Friedrich-Naumann-Stiftung
November 2014: STUDIENSTIFTUNG ZEICHNET BESONDERES ENGAGEMENT AUS: MAXIMILIAN OEHL ERHÄLT DEN „WEITER?GEBEN!“-PREIS 2015
September 2014: Mein Weg zur Hans-Böckler-Stiftung und die Förderung der Stiftung
August 2014: Materielle und ideelle Ermöglichung zum Andersdenken mit einem Stipendium der Rosa-Luxemburg-Stiftung
Juli 2014: Kleine Klassen, echte Profis als Lehrer
Juni 2014: WEITER HORIZONT, ENGE GRENZEN? – Austausch ohne Grenzen in offenes Netzwerk als Teil der „Villigster Gemeinschaft“
Mai 2014: Bericht von Nina Schießl (Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk)
April 2014: Aufbrechen zu neuen Zielen. Mit den Begabtenförderwerken in die Welt. (Bericht von Maria Dillmann, Cusanuswerk)
März 2014: muslimisch – talentiert – engagiert. Avicenna-Studienwerk startet mit der ersten Bewerbungsphase
Februar 2014: "Bei der Stiftung der Deutschen Wirtschaft kommen Studierende aus allen Fachrichtungen zusammen"
Januar 2014: Studieren und Promovieren mit einem Kind oder – man mag es kaum glauben - sogar mehreren Kindern? (Bericht von Helen Schmitt-Lohmann und Laura Solzbacher, Konrad-Adenauer-Stiftung)
Dezember 2013: Ein Tag aus meinem Leben als Stipi von Tina Jung, Stipendiatin der Friedrich-Ebert-Stiftung
November 2013: Abschlussbericht von Olivia Güthling, Altstipendiatin der Friedrich Naumann-Stiftung