Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS): Du promovierst zum Thema Kirche und Digitalität. Dabei handelt es sich um zwei Themen, die man auf den ersten Blick wahrscheinlich nicht miteinander verknüpfen würde. Wie bist du auf dieses spannende Thema gekommen und was untersuchst du genau?
Marleen Wörner-Niemann: Es ist wahrscheinlich der erste Blick, der sagt, dass diese beiden Themen nicht zusammenpassen. Aber wenn man genauer hinsieht, wird deutlich, dass sowohl die Kirche als auch jede andere Institution heutzutage schauen muss, wie sie mit den Themen Digitalisierung und Medialisierung umgeht. Vor einiger Zeit hat deswegen die Wissenschaft damit angefangen, sich mit dem Thema Kirche und Digitalität auseinanderzusetzen und seitdem forscht man zu den Auswirkungen der Digitalisierung, bzw. Digitalität im kirchlichen Kontext.
Ich befinde mich bei meiner Forschung im Bereich der Kirchentheorie. Bei der Kirchentheorie handelt es sich wahrscheinlich um das trockenste aber auch um das umfassendste Gebiet in der Praktischen Theologie. Die Kirchentheorie beschäftigt sich kurz gesagt mit den Fragen, was ist Kirche heute, wie zeigt sie sich und was macht sie aus. Wenn wir diese Fragen heute stellen, dann wird schnell deutlich, dass es gar nicht anders geht, als das Digitale miteinzubeziehen. Genauer gesagt, frage ich vor dem Hintergrund digitaler Kommunikationsphänomene, was Kirche heutzutage ausmacht. Dafür habe ich verschiedene Felder ausgewählt, die zunächst analysiert werden. Im Anschluss wird daraus folgend abstrahiert, was es für Kirchenvorstellungen gibt. Mein Ziel ist es, daraus eine Theorie zu entwickeln. Das verschiedene Kirchenbilder vorherrschen, erkannt man beispielsweise daran, dass für den Familienvater, auf dem Land lebend, Kirche bedeutet, dass man am Familiengottesdienst teilnimmt und sich bei dem Gemeindefest engagiert. Für seine Mutter bedeutet wiederum Kirche, dass der Pfarrer zum 70. Geburtstag zu Besuch kommt. Im Vergleich dazu ist für die frisch konfirmierte Tochter, die gerade ihre Jugendleiterausbildung macht, Kirche, dass sie einer Pfarrerin auf Instagram folgt. Aus dieser Darstellung wird deutlich, dass es ganz verschiedene Kirchenbilder gibt. Mein Ziel ist es herauszufinden, was diese Kirchenbilder eint, sodass wir sagen können, was Kirche heute ist.
Wie unterstützt dich die KAS bei deinem Promotionsvorhaben?
Ganz generell beinhaltet die Unterstützung der KAS zwei Teile, den ideellen und den finanziellen Aspekt.
Und natürlich spielt der finanzielle Teil eine wichtige Rolle. Wie bei den anderen Begabtenförderungswerken und so wie es das Bundesministerium für Bildung und Forschung vorgibt, bekommt man aktuell 1450 € im Monat. Hier gab es letztes Jahr jedoch eine Änderung, sodass sich der Betrag ab dem 01. Oktober 2024 nochmal erhöht. Außerdem zahlt die KAS in der Regel 100 € Forschungskostenpauschale pro Monat, welche am Ende des Jahres überwiesen wird. Wenn wir Ausgaben, z.B. für Tagungen, Forschungsaufenthalte in Archiven oder ähnliches haben, werden diese damit abgegolten.
Zusätzlich zum finanziellen Aspekt haben wir die ideelle Förderung. Hier wird eine Vielzahl an Seminaren für die Stipendiatinnen und Stipendiaten angeboten. Das Besondere bei dem Seminarprogramm der KAS ist, dass die Seminare zusammen mit den Stipendiatinnen und Stipendiaten der Studienförderung, der Journalistischen Nachwuchsförderung und der Ausländerförderung besucht werden. Das ist einerseits sehr besonders, weil dadurch ein fächerübergreifender und altersübergreifender Diskurs möglich ist. In manchen Seminaren stellt man andererseits natürlich auch fest, dass man sich in unterschiedlichen Lebensphasen befindet und sich dadurch zum Teil mit unterschiedlichen Fragen, die den jeweiligen Lebensabschnitt betreffen, beschäftigt. Es gibt jedoch auch die Grundlagenseminare, die allein für Promotionsstipendiatinnen und Promotionsstipendiaten angeboten werden. Zusätzlich zu den Seminaren haben wir die Hochschulgruppen, die sich regelmäßig treffen und ebenfalls ein vielfältiges Programm anbieten. Ebenso gibt es die Referentinnen und Referenten, die jederzeit erreichbar sind, und uns mit Rat und Tat bei Fragen oder Problemen rund um das Thema Promotion zur Seite stehen. Sie unterstützen uns unter anderem bei den Fragen, wie schaffe ich es eine Monographie zu schreiben, wie schaffe ich es motiviert zu bleiben, oder wie komme ich in bestimmte Netzwerke hinein.
Wie bist du auf das Promotionsstipendium bei der KAS aufmerksam geworden?
In der Examensphase, als klar war, dass es in Richtung Promotion geht, hat sich die Frage nach der Finanzierung gestellt. Mein Doktorvater hat mir frühzeitig mitgeteilt, dass er mich betreuen kann, dass es jedoch voraussichtlich keine freie Stelle an der Universität für mich geben wird. In den Geisteswissenschaften verläuft eine Promotion in der Regel anders als in den Naturwissenschaften. In den Naturwissenschaften promoviert man häufig mit einer Stelle an der Universität und in den Geisteswissenschaften sucht man sich eine Betreuerin oder einen Betreuer, um die Finanzierung muss man sich jedoch meistens selbst kümmern. Ich habe zum Start meiner Promotion tatsächlich doch eine Stelle an der Universität für zwei Semester
bekommen. Diese Zeit hat perfekt für meine Bewerbung um ein Stipendium gereicht. Ich habe mich in diesem Kontext mit den Begabtenförderungswerken auseinandergesetzt, indem ich im Internet alles nachgeschaut habe. Letztendlich habe ich mich bei Villigst und bei der KAS beworben, weil mir – besonders als Theologin – der Bezug zur christlichen Wertebasis sehr wichtig war. Ich hatte dann das Glück, bei der KAS genommen zu werden.
Als Stipendiatin bei der KAS gibt es die Möglichkeit selbst Initiativseminare zu organisieren und mit Hilfe der KAS umzusetzen. In diesem Kontext hast du mit anderen Stipendiatinnen das Seminar „Das Leben als Frau – Hürden, Chancen und Gleichstellungen“ organisiert und umgesetzt. Könntest du etwas mehr darüber erzählen?
Zu Beginn, was sind Initiativseminare?
Die Initiativseminare sind Teil des großartigen und vielfältigen Seminarprogramms der KAS. Die Initiativseminare bieten für uns als Stipendiatinnen und Stipendiaten die Möglichkeit, das Seminarprogramm aktiv mitzugestalten, indem wir Seminare selbst planen, gestalten und umsetzen. Wenn wir als Stipendiatinnen und Stipendiaten ein Thema haben, welches uns brennend interessiert und wozu wir vielleicht auch selber forschen, dann haben wir die Möglichkeit, dieses Thema miteinzubringen und im Kontext eines Initiativseminars zu gestalten und mit anderen Stipendiatinnen und Stipendiaten darüber zu diskutieren. Dadurch, dass das Programm sowohl für die Studienförderung als für die Promotionsförderung gemischt ist, hat man die Möglichkeit, mit ganz verschiedenen Personen über die Themen zu diskutieren und verschiedene Meinungen zu erhalten.
Welche Inhalte habt ihr in dem Seminar besprochen?
Das Leben als Frau ist natürlich ein riesiger Themenkomplex. Unsere primäre Intention war deshalb, ein paar Schlaglichter auf die Grundperspektiven dieses Themas zu richten. Zu unseren Themenschwerpunkten zählte unter anderem der Themenbereich Frauen in der Politik, bei dem wir eine Vertreterin der Frauenunion eingeladen hatten, die mit uns über ihre Arbeit mit Frauen in der Politik gesprochen hat. Darüber hinaus zählten zu unseren Themenschwerpunkten das Gender Pay Gap, gendergerechte Sprache und das Thema der Körperlichen Selbstbestimmung. Das Thema der Körperlichen Selbstbestimmung ist uns dabei besonders in Erinnerung geblieben, da wir dieses Thema selbst behandelt bzw. vorgestellt haben. Wir hatten zu den meisten Themen wirklich tolle Referentinnen und Referenten eingeladen, aber zu diesem Thema haben wir leider niemanden gefunden. Da wir zu dritt im Organisationsteam waren, hat deshalb jede von uns eine Untereinheit zum Thema Körperliche Selbstbestimmung
vorbereitet. Diese Vorbereitung hat nicht nur unglaublich viel Spaß gemacht, sondern, uns auch die Möglichkeit gegeben, über ein Herzensthema zu sprechen. Wir haben hier im Speziellen zum Medical Care Gap, zur weiblichen Sexualität und zur Frage nach der ungewollten bzw. gewollten Kinderlosigkeit, die gesellschaftlich nicht so thematisiert wird, obwohl sie es vielleicht werden sollte, gesprochen und diskutiert. Es war wirklich toll, alle Themen aufzugreifen und in die Diskussion zu bringen.
Wie ist dein Eindruck bzw. Fazit vom Seminar, zusammengefasst in einem Satz?
Es hat unglaublich viel Spaß gemacht, und wir überlegen, ob wir ein Anschlussseminar organisieren.
Welche Tipps hast du für Studierende, die sich für ein Promotionsstipendium bei der KAS interessieren?
Speziell für die Promotionsförderung ist ein aussagekräftiges Exposé das A und O. Das ist einerseits für diejenigen, die die Exposés der Bewerbenden lesen wichtig und andererseits hat man selber etwas zur Hand, was einen durch die gesamte Promotionszeit begleitet und welches für die Eigenorganisation als Orientierung dienen kann. Deshalb würde ich empfehlen, sich für das Exposé mindestens ein halbes Jahr Zeit zu nehmen und wirklich viel Arbeit reinzustecken. Diese Arbeit wird auch von den Auswahlteams der KAS wahrgenommen. Natürlich müssen auch die anderen Unterlagen eingereicht werden, aber auf das Exposé kommt es an, und wenn das gut ist, dann profitiert man auch selbst davon.
Was sind deine Pläne nach der Promotion?
Zunächst möchte ich mit dem Vikariat starten, das ist der Vorbereitungsdienst für den Pfarrdienst, vergleichbar mit dem Referendariat für Lehrkräfte. Es ist eine praktische Ausbildungsphase mit einem anschließenden Examen, damit ich Pfarrerin werden kann. Und was danach passiert, weiß ich tatsächlich noch nicht. Ich habe dann die Möglichkeit Pfarrerin zu werden, und entweder wird das mein Job, oder es gibt eventuell nochmal die Betreuungsmöglichkeit einer Habilitation, dann schließe ich auch die wissenschaftliche Karriere nicht aus. Und wer weiß, vielleicht komme ich ja zur Habilitationsförderung zurück zur KAS.