Sobald du Stipendiatin oder Stipendiat bei uns bist, steht dir das volle Betreuungs- und Veranstaltungsprogramm zur Verfügung. Es hat bei jedem Werk andere Schwerpunkte, die auf unseren unterschiedlichen weltanschaulichen Ausrichtungen und Zielsetzungen basieren. Dennoch gibt es auch hier eine Reihe von Gemeinsamkeiten!
Jacqueline Grumme: „Es geht nicht nur um akademische Leistungen, sondern auch um dein Engagement und deine Vision für eine bessere Gesellschaft“
Friedrich-Ebert-Stiftung (FES): Liebe Jacqueline Grumme, könntest du dich bitte kurz vorstellen?
Jacqueline Grumme: Mein Name ist Jacky, ich bin 24 Jahre alt und studiere derzeit im Master Soziale Arbeit an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg.
Warum hast du dich für dieses Studienfach entschieden?
Nach dem Abitur habe ich ein Jahr lang einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst in Kapstadt, Südafrika, absolviert und dort in einer Nachmittagsbetreuung in den sogenannten Cape Flats gearbeitet. Diese Orte sind bis heute stark unterfinanziert, und viele der Bewohner:innen der Cape Flats leben in Armut. Die Arbeit in der Nachmittagsbetreuung hat mir viel Freude bereitet. Vor allem wertschätze ich die Erfahrung des Austauschs mit den Kindern und Jugendlichen und den Eindruck, den ich von ihrer überhaupt nicht selbstverständlichen Widerstandsfähigkeit bekommen durfte.
Dieser Auslandsaufenthalt hat mir gezeigt, dass ich eine Ansprechperson für Kinder und Jugendliche sein möchte, die sie vor allem dabei unterstützt, traumatische Erlebnisse zu verarbeiten. Gleichzeitig ist es mir ein Anliegen, Menschen zu helfen, schwierige Lebenssituationen besser zu bewältigen. Dafür bildet das Studium der Sozialen Arbeit eine wichtige Grundlage. Es ermöglicht mir unter anderem, soziale Herausforderungen aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten und die ihnen zugrunde liegenden Herrschafts- und Machtverhältnisse zu erkennen.
Du bist die Erste in deiner Familie, die studiert. Wie war dein Weg zum Studium?
Nach dem Abitur war ich mir noch unsicher, welches Studium ich wählen soll und welchen Weg ich in meinem Leben einschlagen wollte. Daher war ich sehr froh, durch das Auslandsjahr noch etwas mehr Bedenkzeit zu haben. Die Arbeit in Kapstadt hat mir sehr gut gefallen, aber zu diesem Zeitpunkt war ich mir noch nicht sicher, ob das Studium der Sozialen Arbeit wirklich das Richtige für mich ist. Während des Auswertungsseminars sprach ich mit einer Betreuerin, die damals bereits Soziale Arbeit an der Alice-Salomon-Hochschule (ASH) Berlin studierte. Sie ermutigte mich, dieses Studium anzugehen und darüber bin ich heute äußerst froh.
Wie bist du auf die Idee gekommen, dich um ein Stipendium bei einer politischen Stiftung zu bewerben?
Für mich war klar, dass ich das Studium in einer neuen Stadt nur mithilfe von BAföG realisieren kann, und ich hatte mich bereits vor Studienbeginn über den Prozess informiert. Kurz vor Beginn des Studiums wurde ich auf das Wochenendseminar „Stipendien und Co.“ der SWANS Initiative aufmerksam gemacht – einer Organisation, die Women of Color und Schwarze Frauen auf ihrem Weg in den akademischen Arbeitsmarkt unterstützt und fördert. Das Wochenende war eine große Bereicherung für mich und motivierte mich, den Schritt zu wagen und mich für ein Stipendium zu bewerben.
Zuvor hatte ich immer gedacht, dass ich niemals ein Stipendium erhalten würde, da ich meiner Meinung nach nicht genügend gesellschaftspolitisches Engagement vorzuweisen hatte. Doch während des Seminars wurde ich eines Besseren belehrt! Ich erfüllte sehr wohl die Voraussetzungen für ein Stipendium und wurde von den Seminarleitungen ermutigt, mich zu bewerben.
Du beschäftigst dich ehrenamtlich mit Kunst und Kultur. Was ist besonders an dieser Art des gesellschaftspolitischen Engagements?
Kunst ermöglicht es, Menschen auf eine tiefere, oft emotionalere Weise zu erreichen und gesellschaftliche Themen kreativ zu vermitteln. Meine Kunst ist das Schauspiel. In unseren Theaterstücken wollen wir gesellschaftliche Strukturen kritisch hinterfragen, marginalisierten Stimmen Gehör verschaffen und Diskussionen über relevante Themen wie Rassismus, Sexismus und Rechtsextremismus initiieren. Das Besondere am Schauspiel ist die Fähigkeit, Zuschauende direkt zu berühren und eine nahezu greifbare Verbindung zu schaffen, die über reine intellektuelle Auseinandersetzung hinausgeht. Dies ermöglicht einen Perspektivwechsel und schafft vor allem für Betroffene eine Art Selbstbestärkung. In den Theaterstücken habe ich erlebt, wie Kunst Menschen inspiriert, verbindet und zum Nachdenken anregt.
Warum hast du dich für die FES entschieden?
Bei der Wahl der Stiftung waren mir die Werte besonders wichtig. Einige Stiftungen schloss ich kategorisch aus, weil ich mich entweder nicht mit den Werten oder mit der nahestehenden Partei und ihrer politischen Agenda identifizieren konnte. Für die FES entschied ich mich während eines Seminars, bei dem wir die Möglichkeit hatten, uns mit den Botschafter:innen der verschiedenen Begabtenförderwerke auszutauschen. Besonders als Person, die von Mehrfachdiskriminierung betroffen ist, war es mir wichtig, eine Stiftung zu finden, die die Ziele der Chancengleichheit und sozialen Gerechtigkeit explizit formuliert. Davon überzeugte mich die FES. Gerade in Zeiten, in denen rechtsextreme Einstellungen wieder massiv an Aufschwung gewinnen und gesellschaftlich als vertretbar inszeniert werden, sind vor allem jene Werte entscheidend, die die Gesellschaft zusammenzubringen und zusammenhalten.
Wie ist es für dich, Stipendiatin zu sein?
Das Stipendium eröffnet mir viele Möglichkeiten. Besonders das Netzwerken ist für mich eine große Bereicherung. So kann ich mich über das FES-Netzwerk mit anderen engagierten Menschen austauschen, Jobangebote nutzen und zugleich lebenslange Freundschaften schließen. Im Rahmen der ideellen Förderung habe ich Zugang zu einem breiten Angebot an Workshops und gesellschaftspolitischen Seminaren, wo ich mich mit Expert:innen über gesellschaftliche Veränderungen austauschen und gemeinsam Lösungsvorschläge erarbeiten kann. Diese Ressourcen sind für mich von unschätzbarem Wert, um meine Fähigkeiten weiterzuentwickeln und meinen Einsatz für ein besseres Zusammenleben nachhaltig zu gestalten. Zudem ermöglicht mir das Stipendium, mich voll auf mein Studium und mein ehrenamtliches Engagement zu konzentrieren, ohne mir Sorgen um finanzielle Engpässe machen zu müssen.
Was würdest du jemandem sagen, der:die sich für ein Stipendium interessiert, sich aber nicht traut, sich zu bewerben?
Ich würde sagen: Trau dich! Auch ich hatte große Zweifel und habe anfangs kaum daran geglaubt, dass ich das Stipendium bekommen würde. Aber ich habe es trotzdem versucht und es geschafft – und du kannst das auch! Du hast nichts zu verlieren und alles zu gewinnen. Die Bewerbung ist eine Chance, nicht nur finanzielle Unterstützung zu erhalten, sondern auch Teil einer engagierten Gemeinschaft zu werden und einen Platz zu finden. Es geht nicht nur um akademische Leistungen, sondern auch um dein Engagement und deine Vision für eine bessere Gesellschaft. Wenn du das Gefühl hast, etwas bewegen zu wollen, dann ist eine Bewerbung um ein Stipendium genau der richtige Schritt.