In der Küche steigt schon Plätzchenduft auf, adventliche Musik läuft über Bluetooth-Boxen. Währenddessen sitze ich mit zwei Cusanerinnen um einen Esstisch im Bonner Süden; wir unterhalten uns, lachen und formen mit Hingabe Vanillekipferl.
Noch zwei Stunden zuvor habe ich konzentriert an meinem Arbeitsplatz gesessen. Um mich herum Bücher, Ordner und vor allem eines: Aktenseiten über Aktenseiten mit Kopien aus dem Archiv des italienischen Außenministeriums. Ich habe mir in diesem Advent zwei Wochen Arbeitsauszeit genommen und bin nach Bonn-Mehlem gefahren, um mit meiner Bachelorarbeit voranzukommen. Der Ortsteil am Rheinufer dürfte wenigen ein Begriff sein. Im Cusanuswerk entfaltet er jedoch nicht nur bei mir, sondern auch bei vielen anderen Sehnsuchtsmomente.
Das Konzept ist dabei denkbar einfach: wer an einer Haus- oder Abschlussarbeit sitzt, wer Examen schreibt oder mit seiner Promotion vorankommen möchte, kann hierherkommen. Im Haus gibt es Gästezimmer, einen Arbeitsraum und Gemeinschaftsräume. Und Gemeinschaft, angeregte Diskussionen sind ein wesentlicher Teil dessen, was den Geist des Hauses ausmacht. In gemeinsamer Tagesstruktur arbeiten, Gebetszeiten erleben und Freiräume genießen. Dazu kann dann im Winter auch Plätzchenbacken gehören.
Ein Zeitsprung zurück: Als ich im September 2014 den Brief des Cusanuswerks in den Händen hielt, konnte ich es erst gar nicht glauben. Ich sollte von dieser Förderung profitieren können? Wenige Wochen später hatte ich gerade die ersten Vorlesungen und Seminarsitzungen hinter mir und begann meine neue Studienheimat Münster kennenzulernen. Jetzt gehörte das "Semesterauftakttreffen" der Cusanus-Hochschulgruppe zum Programm. Wer würde mich dort erwarten? Die kannten sich bestimmt alle schon untereinander?
Meine Sorgen und Ängste lösten sich sehr bald in das Gegenteil auf: Begeisterung. Während man sich in anderen Kontexten zu Studienbeginn einen mühsamen Gesprächseinstieg über Standardfragen wie "Woher kommst du? Was studierst du?" suchte, war nicht nur damals, sondern ist bis heute die Gesprächssituation im Cusanuswerk anders. Zwar gibt es nicht nur sehr verschiedene Glaubensvorstellungen und -erfahrungen, die sich im Werk begegnen, natürlich sehr unterschiedliche Fachrichtungen, sondern auch politisches Streitpotential - aber die Diskussionen werden ausgetragen. Und das in der Regel sehr zivilisiert, meist sogar noch interdisziplinär...
Es ist genau dieses Zwischenmenschliche, was das Cusanuswerk für mich zu einer Art von "Heimat" unabhängig von Herkunft und Ort werden lässt. Egal ob auf einer der legendären Ferienakademien, im Geistlichen Programm, den Hochschulgruppen oder bei einer selbstorganisierten Fachschaftstagung: Dieser kritische, offene Geist lebt.
Neben den Menschen, den Veranstaltungen, den Orten (wie Mehlem) und den finanziellen Möglichkeiten viel unabhängiger planen zu können, bedeutet das Stipendium des Cusanuswerks für mich auch eine große Freiheit. Eine Freiheit, im Studium auch Dinge ausprobieren zu können, die nicht perfekt in den modularisierten Studienverlaufsplan passen, eine Freiheit, nicht nur einen Sprachkurs, sondern auch ein Auslandssemester und ein Praktikum in Italien machen zu dürfen, und vor allem eine Freiheit, etwas zurückzugeben, sich einzusetzen:
Mit dem Stipendium brauche ich nicht zwingend neben dem Studium zu jobben. Ich kann mich stattdessen im europäischen Blogprojekt HistoryCampus als Redakteur miteinbringen, eine Jugendfreizeit betreuen oder mich in meiner Gemeinde als Firmkatechet engagieren. Aber ich habe auch Freiräume für mich und meine persönlichen Interessen und Projekte.
Dafür bin ich außerordentlich dankbar und kann nur jeden Interessenten, jede Interessentin aufrufen: Versucht es und bewerbt euch. Ein Stipendium ist eine wundervolle Chance.