Stipendium Plus
© Heidi Scherm. Quelle: sdw
© Heidi Scherm. Quelle: sdw

Einblick des Monats Februar 2021

Kurz-Interview Rosa-Luxemburg-Stiftung, 12.01.2021

Was sind Eure persönlichen Ziele, die Ihr mit einem erfolgreichen Abschluss der Promotion verbindet?

Marieluise Mühe: Ehrlich gesagt, fällt es mir schwer auf diese Frage eine prägnante Antwort zu finden. Ganz schlicht formuliert will ich mit etwas Stolz darauf zurückblicken, dass ich ein solches Großprojekt selbstständig konzipiert, umgesetzt, verschriftlicht, vor einem (Fach-)Publikum verteidigt und vor allem beendet habe. Ich erlebe die Promotionsphase einerseits schon als Kraftakt, der von mir kontinuierlich Geduld, (Selbst-)Motivation und Initiative verlangt. Andererseits bietet mir das Leben als Doktorandin enorme Freiräume zum Denken und Ausprobieren.

Johanna Maj Schmidt: Ich bin dankbar über die Möglichkeit, mich so lange mit einem Thema, das mir gesellschaftspolitisch relevant erscheint, auseinandersetzen zu dürfen. Nach meinem Abschluss würde ich die Erkenntnisse, die ich durch die Diss gewonnen habe, gern mit einer breiteren, nicht exklusiv wissenschaftlichen Öffentlichkeit teilen. Ich arbeite gerade an einem Film, der die Thematik meiner Diss in eine künstlerische Form übersetzt. Ich habe also vor, die Perspektiven, die ich mir im Rahmen der Diss erarbeite, auf unterschiedlichen Kanälen und mit verschiedenen Ausdrucksweisen weiterzugeben.

 

Warum habt Ihr Euch bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung beworben? Was bedeutet es für Euch, von der RLS gefördert zu werden?

Marieluise Mühe:  Ich schätze an der Rosa-Luxemburg-Stiftung, dass sie meines Erachtens eine sehr „bewegungsnahe“ Stiftung ist, weil sie weltweit Kontakte zu sozialen Bewegungen pflegt und ein Podium für deren Forderungen im Rahmen von vielfältigen Veranstaltungen bietet. In diesem Kontext, der eine große Offenheit und Selbstverständlichkeit für (gesellschafts-)kritische Ansätze besitzt, fühle ich mich mit meinem Promotionsthema gut ver- und angebunden.

Johanna Maj Schmidt: Mir geht es da ähnlich wie Marieluise. Ich bin sehr dankbar, in eine Stiftung eingebunden zu sein, in der kritisches Denken gefördert wird und der Elfenbeinturm durch den Glauben infrage gestellt wird, dass wissenschaftliches Arbeiten auch einen Betrag zu einem gesellschaftlichen Wandel in Richtung mehr Gerechtigkeit leisten kann. Das sagt mir zu.

 

Welche Schwierigkeiten haben sich für Euch während der Corona-Pandemie für das Promovieren im allgemeinen und insbesondere für Eure Dissertationsthemen ergeben?

Marieluise Mühe: Das geplante empirische Arbeiten, konkret die Durchführung und Organisation von face-to-face Interviews, kam während des ersten Lockdowns bei mir gänzlich zum Erliegen. Nach einem kurzen Möglichkeitsfenster im Sommer, in dem ich persönliche Gespräche vor Ort führen konnte, habe ich mittlerweile die Erhebung komplett auf Videokonferenzen umgestellt, was eigene Schwierigkeiten mit sich bringt (Technikprobleme, Fragen des Datenschutzes, etc.). Außerdem war es in der Zeit der Kontaktbeschränkungen und der Umstellung auf die digitale Lehre komplizierter, meine Betreuung zu konsultieren.

Zugleich fehlt mir die Bibliothek in mehrfacher Hinsicht: Nicht nur der Zugang zur Literatur ist reglementiert, sondern auch der Entzug des Ortes an sich, wo es sich ungestört arbeiten lässt und der soziale Austausch mit Gleichgesinnten oder anderen Promovierenden automatisch stattfindet, wirkt sich erschwerend auf den Arbeitsalltag aus. Dadurch werden die sowieso vorhandenen Momente der Einsamkeit im Promotionsprozess verstärkt, in denen ich mir selbst und meinem Thema „ausgeliefert“ fühle. Nichtsdestotrotz bin ich mir bewusst, dass ich durch die Option Home Office und den Bezug des Stipendiums in der Corona-Krise besonders privilegiert bin. Ich habe weder Care-Verantwortung für Kinder noch Pflege von Angehörigen zu tragen und mein Einkommen ist dank des Stipendiums für dieses Jahr gesichert.

 

Worüber promoviert Ihr? Worin seht Ihr die gesellschaftspolitische Aktualität/Relevanz Eurer Themen?

Marieluise Mühe: Ich promoviere, grob formuliert, über zivilgesellschaftliche Gegenmobilisierungen zu(m) Rechts(-populismus). Dabei interessiert mich vorrangig, wie in diesem Zusammenhang Bündnisse von demokratischen Akteuren gestiftet, eingegangen und verfestigt werden. Sowohl in der parlamentarischen Debatte, auf der Straße oder medial versuchen (extrem-)rechte Akteure die Deutungshoheit zu gewinnen bzw. die Grenzen des Sag- und Machbaren zu verlagern. Angesichts dessen sollten meiner Meinung nach die Perspektiven und die Erfahrungen derer, die sich der Regression aktiv entgegenstellen, in wissenschaftlichen Arbeiten beleuchtet werden, statt sich allein auf die Analyse der politischen Gegner*innen zu konzentrieren.

Johanna Maj Schmidt: Kurz gesagt beschäftige ich mich im Rahmen der Promotion mit der Frage, welche Rolle das Heroische in rechten Internet-Memes in sogenannten postheroischen Gesellschaften spielt. Was für Heldenbilder und Vorstellungen über das Heroische werden durch die Memes kommuniziert? Während visuelle Propaganda der Nazis ungebrochen den eigenen, vermeintlichen Heroismus beschwor, finden sich in rechten Internet-Memes heutzutage teilweise auch selbstironische Perspektiven auf das eigene Verlangen nach dem Heroischen. Ich versuche, dieses veränderte, selbstironische Verhältnis zum Heroismus zu beschreiben und besser zu verstehen.

 

Wie politisch darf/soll Wissenschaft sein?

Johanna Maj Schmidt: Ich finde die Frage ist falsch gestellt, denn sie suggeriert, dass Wissenschaft manchmal völlig außerhalb des Politischen stehen würde. Damit meine ich selbstverständlich nicht, dass Wissenschaft in propagandistischer Manier vorgefasste politische Ziele verfolgen darf – natürlich muss der Forschungsprozess ergebnisoffen sein und sich auf Überraschungen einlassen, die vorherige Annahmen erschüttern können. Trotzdem glaube ich, dass Wissenschaft sich immer mit der Tatsache auseinandersetzen muss, dass sie durch den Rahmen/Fokus, den sie setzt, zwangsläufig bestimmten Phänomenen mehr Sichtbarkeit verleiht und zugleich anderen Phänomenen weniger oder gar keine Aufmerksamkeit schenkt. Da für die Wissenschaft relevante Ressourcen nicht unbegrenzt sind (Aufmerksamkeit, Gelder, etc.), muss deren Verteilung als ein im erweiterten Sinne politischer Prozess verstanden werden. Dieser Prozess ist meist nicht vollkommen unabhängig von gesellschaftspolitischen Veränderungen und politischen Interessen, was nicht unbedingt schlecht ist. So macht es ja beispielsweise angesichts der aktuellen Lage durchaus Sinn, sich mit klimaneutraler Technologie auseinanderzusetzen oder den Einfluss von Social Media auf demokratische Strukturen zu untersuchen. Wie die Corona-Krise zeigt, können aber auch auf einmal bestimmte, vielleicht sonst eher nischenhafte Forschungsbereiche durch einen Zufall extrem relevant für die Gesellschaft werden und politische Entscheidungen beeinflussen.

 


Hier gelangt ihr zu den anderen Einblicken des Monats:

Januar: Chamina Rietze – Stipendiatin des Journalistischen Förderprogramms der Hanns-Seidel Stiftung

Dezember: Hendrik Brecht – Stipendiat des Avicenna-Studienwerks und Student der Rechtswissenschaft

November: Anna Basina, Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk

Oktober 2020: Marius Kulassek, Stipendiat des Cusanuswerks

September 2020: Julian Bartsch, Stipendiat des Evangelischen Studienwerks Villigst. Leben und Studieren mit Autismus

August 2020: Mission: Chancengerechtigkeit in Kindertagestätten. Mona Bannwarth, Stipendiatin der Stiftung der Deutschen Wirtschaft

Juli 2020: Steffi Heger, Promotionsstipendiatin der Konrad-Adenauer-Stiftung. Ein Gespräch über persönliche Entwicklung und den eigenen wissenschaftlichen Beitrag

Juni 2020: Interview mit Charlotte Hattendorf

Mai 2020: Vom Schlosser ins chinesische Recht

April 2020: Ein Gespräch mit Aylin Karabulut, Promotionsstipendiatin der Studienstiftung, über ihre Projekte in der Migrations- und Ungleichheitsforschung

März 2020: Amer Althiab, Stipendiat der Heinrich-Böll-Stiftung

Februar 2020: Victoria Adouvi, Stipendiatin der Friedrich-Naumann-Stiftung

Januar 2020: 20 Jahre Studienwerk RLS – 20 Jahre Kampf für die Bildungsgerechtigkeit- rebellisch- links- solidarisch

Dezember 2019: Anna Axtner-Borsutzky, Stipendiatin der Hanns-Seidel-Stiftung

November 2019: Zeynep Aydin, Stipendiatin des Avicenna-Studienwerk e.V.

Oktober 2019: Alissa Frenkel, Stipendiatin des Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk (ELES)

September 2019: Carolin Schlüter, Stipendiatin des Cusanuswerks

August 2019: Pircivan Kalik, Stipendiat des Evangelischen Studienwerks Villigst: Die Mischung macht es aus

Juli 2019: Yagmur Özkan und Christian Serrer, Stiftung der deutschen Wirtschaft (SDW)

Juni 2019: Mit einem Stipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung in Deutschland studieren. Ein Erfahrungsbericht von US-Amerikanerin Alex Swanson

Mai 2019: Arsdeep Kaur, Stipendiatin der Friedrich-Ebert-Stiftung

April 2019: Desiree Maier: Köchin - Abi - Archäologie

März 2019: Henning Dirks, Stipendiat der Studienstiftung

Februar 2019: Banu Çiçek Tülü, Heinrich-Böll-Stiftung

Januar: Michael Klipphahn, Promotionsstipendiat der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit seit September 2016. KUNSTGESCHICHTE, HfBK Hamburg

Dezember 2018: New York, New York - Mit dem RLS-Promotionskolleg in der Stadt, die niemals schläft. Ein Bericht von Sarah

November 2018: Schritt für Schritt über sich selbst hinauswachsen!

Oktober 2018: Aus dem Nähkästchen

September 2018: Ein Studienwerk, das einer zweiten Familie gleicht (ELES) 

August 2018: Gregor Christiansmeyer, Stipendiat des Cusanuswerks

Juli 2018: Evangelisches Studienwerk Villigst Ein Bericht von Bernhard Nemerth, Stipendiat des Evangelischen Studienwerks

Juni 2018: Ehrenamtlich bei der Feuerwehr: Porträt unseres Stipendiaten Benedikt Schinzel von der Hochschule Furtwangen 

Mai 2018: "Ein Stipendium ist ein Privileg" Ein Beitrag von Deborah Manavi

April 2018: Beitrag von Delara Burkhardt, Friedrich-Ebert-Stiftung

März 2018: Raus aus dem Betrieb - rein in die Welt

Februar 2018: Ein Porträt der Stipendiatin der Studienstiftung Silke Seibold 

Januar 2018: „Mein Kompass: Respekt, Solidarität und Toleranz!“ von Alexander Marx, Heinrich-Böll-Stiftung 

Dezember 2017: Jana Mittelstädt, Promotionsstipendiatin der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit seit Juli 2016 

November 2017: Bericht von Silvia: (Un)mögliche Bildung(swege)? Nichts ist unmöglich!

Oktober 2017: Werte verbinden von Markus Hadwiger

September 2017: Alumni 1.0 – Ein Einblick in das Leben danach

August 2017: ELES – ein Ort für Machloket (Streitbarkeit)

Juli 2017: "Puzzlestücke – Wie aus einem Forschungsprojekt in der Mongolei Lebensphilosophie wurde"

Juni 2017: "Bewirb dich! - auch wenn es große Hürden zu geben scheint!"

Mai 2017: "Eine Millionen mal praktische Hilfe für Geflüchtete"

April 2017: "Ein Blick über den Tellerrand"

März 2017: "Deswegen ist es gut, FES-Stipendiat_in zu sein"

Februar 2017: "Ich studiere" klang für mich ähnlich utopisch wie "Ich fliege zum Mars".

Januar 2017: "Als Botschafter setze ich mich für mehr Chancengleichheit in der Bildung ein."

Dezember 2016: „Ein vielfältiges Netzwerk aufbauen“

November 2016: „Ich wollte mich ausprobieren“

Oktober 2016: Bericht von Amina & Corinna

September 2016: Dankbarkeit – ein Bericht von Andreas Wüst

August 2016: Vom Willkommen Heißen zum Ankommen Helfen - Das Flüchtlingslotsenprojekt „Unsere Zukunft. Mit Dir!“

Juli 2016: Denkraum und Diskursmaschine 

Juni 2016: Bericht von Lucas Uhlig

Mai 2016: Als Erster in der Familie studieren? Klar, mit einem Stipendium!

April 2016: Den Geflüchteten ein Gesicht geben

März 2016: Bericht von Franziska Pflaum

Februar 2016: Einblick des Monats

Januar 2016: Einblick des Monats

Dezember 2015: 90 Jahre, 90 Köpfe

November 2015: Große und kleine Transformationen 

Oktober 2015: Universität für Flüchtlinge

September 2015: Vereinbarkeit von Studium, Ehrenamt und Familie dank der Unterstützung durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung

August 2015: DAS JOURNALISTISCHE FÖRDERPROGRAMM DER HANNS-SEIDEL-STIFTUNG 

Juli 2015: Willkommenskultur gegenüber Flüchtlingen.  Eine Perspektive zweier Stipendiatinnen des Avicenna-Studienwerks 

Juni 2015: Chen Jerusalem, Alumnus des Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks über sein Studium und seine Abschlussarbeit „Cover the Body with Feelings“ 

Mai 2015: Erstes Absolventenkonzert mit Stipendiatinnen und Stipendiaten aus der Musikerförderung des Cusanuswerks

April 2015: Mitbestimmen und über den Tellerrand schauen — das Evangelische Studienwerk ermöglicht neue Perspektiven

März 2015: Den Gründergeist schon während des Studiums entdeckt

Februar 2015: Bericht von Ronny Zimmermann, Stipendiat der Journalistischen Nachwuchsförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung

Januar 2015: Das FES-Bildungsprogramm von und für Stipendiat_innen 

Dezember 2014: Begabtenförderung der Friedrich-Naumann-Stiftung

November 2014: STUDIENSTIFTUNG ZEICHNET BESONDERES ENGAGEMENT AUS: MAXIMILIAN OEHL ERHÄLT DEN „WEITER?GEBEN!“-PREIS 2015

September 2014: Mein Weg zur Hans-Böckler-Stiftung und die Förderung der Stiftung

August 2014: Materielle und ideelle Ermöglichung zum Andersdenken mit einem Stipendium der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Juli 2014: Kleine Klassen, echte Profis als Lehrer

Juni 2014: WEITER HORIZONT, ENGE GRENZEN? – Austausch ohne Grenzen in offenes Netzwerk als Teil der „Villigster Gemeinschaft“

Mai 2014: Bericht von Nina Schießl (Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk) 

April 2014: Aufbrechen zu neuen Zielen. Mit den Begabtenförderwerken in die Welt. (Bericht von Maria Dillmann, Cusanuswerk)

März 2014: muslimisch – talentiert – engagiert. Avicenna-Studienwerk startet mit der ersten Bewerbungsphase

Februar 2014: "Bei der Stiftung der Deutschen Wirtschaft kommen Studierende aus allen Fachrichtungen zusammen"

Januar 2014: Studieren und Promovieren mit einem Kind oder – man mag es kaum glauben - sogar mehreren Kindern? (Bericht von Helen Schmitt-Lohmann und Laura Solzbacher, Konrad-Adenauer-Stiftung)

Dezember 2013: Ein Tag aus meinem Leben als Stipi von Tina Jung, Stipendiatin der Friedrich-Ebert-Stiftung

November 2013: Abschlussbericht von Olivia Güthling, Altstipendiatin der Friedrich Naumann-Stiftung

 

Avicenna Studienwerk
Cusanuswerk e.V.
Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk
Evangelisches Studienwerk e.V. Villigst
Friedrich-Ebert-Stiftung
Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit
Hans Böckler Stiftung
Hanns Seidel Stiftung
Heinrich Böll Stiftung
Rosa Luxemburg Stiftung
Stiftung der deutschen Wirtschaft
Studienstiftung des deutschen Volkes