Sobald du Stipendiatin oder Stipendiat bei uns bist, steht dir das volle Betreuungs- und Veranstaltungsprogramm zur Verfügung. Es hat bei jedem Werk andere Schwerpunkte, die auf unseren unterschiedlichen weltanschaulichen Ausrichtungen und Zielsetzungen basieren. Dennoch gibt es auch hier eine Reihe von Gemeinsamkeiten!
Wie aus einem Forschungsprojekt in der Mongolei Lebensphilosophie wurde
von Anne Wecking
Ich ertaste mein Tagebuch. Mit dem Rücken an die Heizung gelehnt, mümmele ich an einem Stück Marzipankuchen. Es sollte ein lediglich kurzes Innehalten im Strudel des Alltagsrausches sein. Mein Blick jedoch schweift nach links. Gedankenverloren erfasst er den Ledereinband in rot, welcher als Niederschrift aus Papier ein rarer Beleg ist für eine so schwer erfassbare Realität. Als Geschenk einer Freundin habe ich den Einband im Februar 2016 hinaus in die Weiten der mongolischen Steppe getragen. Im September des gleichen Jahres bin ich heimgekehrt, das Buch im Gepäck, um daraufhin bodenkundliche Untersuchungen im Rahmen meiner Masterarbeit zu iniitieren. Die Forschung selbst ist längst abgeschlossen. Die Aufarbeitung des Erlebten aber erwacht noch immer in meinen Träumen. Vier der sieben Monate Aufenthalt habe ich in einer Jurte lebend am Waldrand verbracht – dort, wo die sibirische Gebirgstaiga auf offene eurasische Steppe trifft.
Von den Strapazen des Alltags zu berichten, den 24 km langen Märschen, um Essbares zu kaufen, oder von dem Lächeln der Menschen aus dem Tal und der Kommunikation auf Mongolisch, der Einsamkeit; ganz zu schweigen von der wissenschaftlichen Seite meines Projektes in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ); dies würde Bücher füllen. Fast genauso wie die Tage vor Ort selbst mitsamt ihren Aufgaben, vor allem dieser: zu leben und zu überleben. Verschluckte Minuten, gefüllte Stunden und vorbeiziehende Momente, all dies war meine Realität. Stets kurz und meist unbegreiflich.
Allerdings geht es mir an diesem Punkt nicht darum, einen Reisereport zu erstellen oder gar für einen Aufenthalt in der Mongolei zu werben. Dass Auslandserfahrungen zur Persönlichkeitsentwicklung auf vielfältigen Ebenen beitragen, ist Konsens. Ich möchte hier vielmehr ermuntern, dem Studium eine individuelle Farbnuance zu geben und vertraute Wege zu verlassen. Im metaphorischen Sinne also, den Pinsel in die Hand zu nehmen, um ein einzigartiges Kunstwerk zu kreieren. Sich zu trauen, Unbekanntes auszuprobieren. Dem eigenen Interesse zu folgen. Kurzum: die Komfortzone zu verlassen. Denn: nur außerhalb des Bekannten liegt die Erfahrung! Sei diese nun das Erststudium innerhalb einer nicht-akademisch verwurzelten Familie oder die Bewerbung auf Stipendien.
In dieser Hinsicht bin ich ein „Glückskind“: Mein Weg umfasst eine Ausbildung an der katholischen Journalistenschule ifp, verschiedene Universitätsstipendien, die Unterstützung durch das Cusanuswerk und nun ein gekoppeltes Promotionsstipendium in Neusseeland. Nein, ich besitze keine übernatürliche Begabung! Womöglich aber habe ich in der Vergangenheit einfach den Mut gehabt, unbekannte Pfade zu beschreiten. Auszuprobieren und die damit verbundenen Konsequenzen anzunehmen. Immaterielle wie materielle Fördermöglichkeiten zu erkunden und zu nutzen.
Stipendien sehe ich als wertvolle Puzzlestücke im eigenen Lebensgefüge. Das Leben an sich ist ein Mosaik aus Erfahrungen, ein Puzzlespiel, welches nicht immer durchschaubar ist. Manches fügt sich erst nach einiger Zeit zusammen. Häufig sogar liegen in der Zwischenzeit Momente des Versagens und des Wiederaufstehens, der Konzentration und solche der Faszination. Eng an die Erlebnisse in der Mongolei geknüpft, erfordert das Puzzlespiel des Lebens Mut und Tagträumerei – und genau dazu sollen diese Zeilen ermutigen.
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