Stipendium Plus

Einblick Monat Juni 2017 – Cusanuswerk e.V.

PUZZLESTÜCKE

Wie aus einem Forschungsprojekt in der Mongolei Lebensphilosophie wurde

von Anne Wecking

© Wecking
© Wecking

Ich ertaste mein Tagebuch. Mit dem Rücken an die Heizung gelehnt, mümmele ich an einem Stück Marzipankuchen. Es sollte ein lediglich kurzes Innehalten im Strudel des Alltagsrausches sein. Mein Blick jedoch schweift nach links. Gedankenverloren erfasst er den Ledereinband in rot, welcher als Niederschrift aus Papier ein rarer Beleg ist für eine so schwer erfassbare Realität. Als Geschenk einer Freundin habe ich den Einband im Februar 2016 hinaus in die Weiten der mongolischen Steppe getragen. Im September des gleichen Jahres bin ich heimgekehrt, das Buch im Gepäck, um daraufhin bodenkundliche Untersuchungen im Rahmen meiner Masterarbeit zu iniitieren. Die Forschung selbst ist längst abgeschlossen. Die Aufarbeitung des Erlebten aber erwacht noch immer in meinen Träumen. Vier der sieben Monate Aufenthalt habe ich in einer Jurte lebend am Waldrand verbracht – dort, wo die sibirische Gebirgstaiga auf offene eurasische Steppe trifft.

Von den Strapazen des Alltags zu berichten, den 24 km langen Märschen, um Essbares zu kaufen, oder von dem Lächeln der Menschen aus dem Tal und der Kommunikation auf Mongolisch, der Einsamkeit; ganz zu schweigen von der wissenschaftlichen Seite meines Projektes in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ); dies würde Bücher füllen. Fast genauso wie die Tage vor Ort selbst mitsamt ihren Aufgaben, vor allem dieser: zu leben und zu überleben. Verschluckte Minuten, gefüllte Stunden und vorbeiziehende Momente, all dies war meine Realität. Stets kurz und meist unbegreiflich.

Allerdings geht es mir an diesem Punkt nicht darum, einen Reisereport zu erstellen oder gar für einen Aufenthalt in der Mongolei zu werben. Dass Auslandserfahrungen zur Persönlichkeitsentwicklung auf vielfältigen Ebenen beitragen, ist Konsens. Ich möchte hier vielmehr ermuntern, dem Studium eine individuelle Farbnuance zu geben und vertraute Wege zu verlassen. Im metaphorischen Sinne also, den Pinsel in die Hand zu nehmen, um ein einzigartiges Kunstwerk zu kreieren. Sich zu trauen, Unbekanntes auszuprobieren. Dem eigenen Interesse zu folgen. Kurzum: die Komfortzone zu verlassen. Denn: nur außerhalb des Bekannten liegt die Erfahrung! Sei diese nun das Erststudium innerhalb einer nicht-akademisch verwurzelten Familie oder die Bewerbung auf Stipendien.

In dieser Hinsicht bin ich ein „Glückskind“: Mein Weg umfasst eine Ausbildung an der katholischen Journalistenschule ifp, verschiedene Universitätsstipendien, die Unterstützung durch das Cusanuswerk und nun ein gekoppeltes Promotionsstipendium in Neusseeland. Nein, ich besitze keine übernatürliche Begabung! Womöglich aber habe ich in der Vergangenheit einfach den Mut gehabt, unbekannte Pfade zu beschreiten. Auszuprobieren und die damit verbundenen Konsequenzen anzunehmen. Immaterielle wie materielle Fördermöglichkeiten zu erkunden und zu nutzen.

Stipendien sehe ich als wertvolle Puzzlestücke im eigenen Lebensgefüge. Das Leben an sich ist ein Mosaik aus Erfahrungen, ein Puzzlespiel, welches nicht immer durchschaubar ist. Manches fügt sich erst nach einiger Zeit zusammen. Häufig sogar liegen in der Zwischenzeit Momente des Versagens und des Wiederaufstehens, der Konzentration und solche der Faszination. Eng an die Erlebnisse in der Mongolei geknüpft, erfordert das Puzzlespiel des Lebens Mut und Tagträumerei – und genau dazu sollen diese Zeilen ermutigen.


Hier gelangt ihr zu den anderen Einblicken des Monats:

Juni 2017: "Bewirb dich! - auch wenn es große Hürden zu geben scheint!"

Mai 2017: "Eine Millionen mal praktische Hilfe für Geflüchtete"

April 2017: "Ein Blick über den Tellerrand"

März 2017: "Deswegen ist es gut, FES-Stipendiat_in zu sein"

Februar 2017: "Ich studiere" klang für mich ähnlich utopisch wie "Ich fliege zum Mars".

Januar 2017: "Als Botschafter setze ich mich für mehr Chancengleichheit in der Bildung ein."

Dezember 2016: „Ein vielfältiges Netzwerk aufbauen“

November 2016: „Ich wollte mich ausprobieren“

Oktober 2016: Bericht von Amina & Corinna

September 2016: Dankbarkeit – ein Bericht von Andreas Wüst

August 2016: Vom Willkommen Heißen zum Ankommen Helfen - Das Flüchtlingslotsenprojekt „Unsere Zukunft. Mit Dir!“

Juli 2016: Denkraum und Diskursmaschine 

Juni 2016: Bericht von Lucas Uhlig

Mai 2016: Als Erster in der Familie studieren? Klar, mit einem Stipendium!

April 2016: Den Geflüchteten ein Gesicht geben

März 2016: Bericht von Franziska Pflaum

Februar 2016: Einblick des Monats

Januar 2016: Einblick des Monats

Dezember 2015: 90 Jahre, 90 Köpfe

November 2015: Große und kleine Transformationen 

Oktober 2015: Universität für Flüchtlinge

September 2015: Vereinbarkeit von Studium, Ehrenamt und Familie dank der Unterstützung durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung

August 2015: DAS JOURNALISTISCHE FÖRDERPROGRAMM DER HANNS-SEIDEL-STIFTUNG 

Juli 2015: Willkommenskultur gegenüber Flüchtlingen.  Eine Perspektive zweier Stipendiatinnen des Avicenna-Studienwerks 

Juni 2015: Chen Jerusalem, Alumnus des Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks über sein Studium und seine Abschlussarbeit „Cover the Body with Feelings“ 

Mai 2015: Erstes Absolventenkonzert mit Stipendiatinnen und Stipendiaten aus der Musikerförderung des Cusanuswerks

April 2015: Mitbestimmen und über den Tellerrand schauen — das Evangelische Studienwerk ermöglicht neue Perspektiven

März 2015: Den Gründergeist schon während des Studiums entdeckt

Februar 2015: Bericht von Ronny Zimmermann, Stipendiat der Journalistischen Nachwuchsförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung

Januar 2015: Das FES-Bildungsprogramm von und für Stipendiat_innen 

Dezember 2014: Begabtenförderung der Friedrich-Naumann-Stiftung

November 2014: STUDIENSTIFTUNG ZEICHNET BESONDERES ENGAGEMENT AUS: MAXIMILIAN OEHL ERHÄLT DEN „WEITER?GEBEN!“-PREIS 2015

September 2014: Mein Weg zur Hans-Böckler-Stiftung und die Förderung der Stiftung

August 2014: Materielle und ideelle Ermöglichung zum Andersdenken mit einem Stipendium der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Juli 2014: Kleine Klassen, echte Profis als Lehrer

Juni 2014: WEITER HORIZONT, ENGE GRENZEN? – Austausch ohne Grenzen in offenes Netzwerk als Teil der „Villigster Gemeinschaft“

Mai 2014: Bericht von Nina Schießl (Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk) 

April 2014: Aufbrechen zu neuen Zielen. Mit den Begabtenförderwerken in die Welt. (Bericht von Maria Dillmann, Cusanuswerk)

März 2014: muslimisch – talentiert – engagiert. Avicenna-Studienwerk startet mit der ersten Bewerbungsphase

Februar 2014: "Bei der Stiftung der Deutschen Wirtschaft kommen Studierende aus allen Fachrichtungen zusammen"

Januar 2014: Studieren und Promovieren mit einem Kind oder – man mag es kaum glauben - sogar mehreren Kindern? (Bericht von Helen Schmitt-Lohmann und Laura Solzbacher, Konrad-Adenauer-Stiftung)

Dezember 2013: Ein Tag aus meinem Leben als Stipi von Tina Jung, Stipendiatin der Friedrich-Ebert-Stiftung

November 2013: Abschlussbericht von Olivia Güthling, Altstipendiatin der Friedrich Naumann-Stiftung

 

Avicenna Studienwerk
Cusanuswerk e.V.
Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk
Evangelisches Studienwerk e.V. Villigst
Friedrich-Ebert-Stiftung
Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit
Hans Böckler Stiftung
Hanns Seidel Stiftung
Heinrich Böll Stiftung
Rosa Luxemburg Stiftung
Stiftung der deutschen Wirtschaft
Studienstiftung des deutschen Volkes