Promotionsvorhaben: Die Kehrseite der Elektro-Automobilität: Akteure, Praktiken und Strukturen der Internalisierungsgesellschaft im Lithiumsektor Chiles
Mitglied des Graduiertenkollegs „Krise und sozial-ökologische Transformation“
Betreuer: Prof. Dr. Markus Wissen (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin), Prof. Dr. Ulrich Brand (Universität Wien)
Mit welchem Thema promovierst Du im Rahmen des RLS-Promotionskollegs „Krise und sozial-ökologische Transformation“?
In meinem Promotionsvorhaben beschäftige ich mich mit der Ressourcendimension der Elektro-Automobilität. Ich baue dabei auf Ergebnissen meiner Abschlussarbeit auf, die ich im Rahmen des Masterstudiums „Political Economy of European Integration“ an der HWR Berlin geschrieben habe.
Genauer gesagt untersuche ich am chilenischen Fallbeispiel, welche sozioökonomischen, ökologischen und kulturellen Konsequenzen der Lithiumextraktivimus zeitigt, der gegenwärtig etwa 80 Prozent des deutschen, ständig steigenden Bedarfs für ressourcenintensive E-Autos deckt.
Vor diesem Hintergrund versuche ich, die Akteure und ihre Interessen am Lithiumextraktivimus zu identifizieren. Mich interessiert, mittels welcher diskursiven Strategien die herrschenden Kräfte inwieweit in der Lage sind, diese zu verallgemeinern und sogar als „grüne Lithiumproduktion“ zu institutionalisieren. Welche gegenhegemonialen Akteure den Prozess zur Konstituierung eines sich andeutenden (passiven) Lithium-Konsenses inwieweit unterwandern und welche Spannungen und Konflikte daraus resultieren, nehme ich ebenso in den Blick.
Und ohne die materielle wie ideelle Unterstützung der Stiftung und meiner Kolleg*innen im Kolleg wäre das so gar nicht möglich.
Weshalb lohnt sich ein Stipendium der RLS?
Ohne das Stipendium der RLS könnte ich vermutlich nicht promovieren, auf jeden Fall nicht auf diese Weise. Und damit bin ich sicher nicht allein. Bis zur Finanzierungszusage, die mein Promotionsvorhaben schlicht materiell absichert, war an einen Aufenthalt in Chile überhaupt nicht zu denken. Aber ein empirisches Fallbeispiel wie meines, das ich als weiße, weibliche, junge Wissenschaftlerin aus Deutschland untersuche, das erfordert Zeit, die mir die RLS gibt. Indem die Stiftung mein Projekt seit Oktober 2021 fördert, also seit 1,5 Jahren und ich davon mittlerweile knapp elf Monate in Chile bin, gestattet sie mir, so dekolonial wie möglich vorzugehen. Auf dieser Grundlage öffnen mir viele Menschen ihre Türen und Herzen, teilen mit mir ihr Wissen, ihre Erfahrungen und Gefühle. Was ich erforsche und vor allem wie ich dies tun kann, übersteigt den monetären Wert des Stipendiums bei weitem.
Was bedeutet eine Förderung im Rahmen des RLS-Kollegs für Dich?
Rosa Luxemburg sagte vor etwas mehr als einem Jahrhundert: „Zu sagen was ist, bleibt die revolutionärste Tat.“ Damals hatte die Sozialistin, die mich täglich begleitet, wohl recht. Für mich bedeutet eine revolutionäre Tat heute, zu überwinden, was nicht mehr sein darf. Und zwar vereint. Da sind wir uns einig. Im Kolleg „Krise und sozial-ökologische Transformation“ der RLS diskutieren wir in den regelmäßigen Kolloquien und gemeinsam organisierten Konferenzen radikale Alternativen. Aber wir realisieren sie genauso, was auch die ideelle Förderung ermöglicht. Ähnlich wie bei meinen Kolleg*innen übersetzt sich mein wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn in aktivistisches Engagement. Wir bei der Berliner Landes- und Bundesarbeitsgemeinschaft Klimagerechtigkeit DER LINKEN kämpfen für eine radikale Mobilitätswende und somit globale Gerechtigkeit. Und wir arbeiten dabei eng mit der Stiftung zusammen. Das heißt, sie ist für mich nicht nur ein Ort, wo ich lese und schreibe, nämlich in der Bibliothek, sondern ein Raum, in dem ich frei denken, agieren und mich entfalten kann. Das Stipendium und die Förderung ermöglichen mir Privilegien, die ich heute teile und zukünftig hoffentlich auch in irgendeiner Form zurückgeben kann.
Wie sehen Deine Zukunftspläne aus?
Zuerst einmal möchte ich mein Promotionsprojekt gut wie möglich abschließen. Dazu gehört für mich in erster Linie nicht die Bestnote, gegen die ich zwar überhaupt nichts einzuwenden hätte. Wichtig wäre für mich aber vor allem, dass die Diss einem Transformationsbündnis aus Wissenschaft, Bewegung und linker Politik nützt und eine aufgeklärte Zivilgesellschaft nach der Lektüre eher aufs Rad als ins (E-)Auto steigt. Nach meiner Promotion würde ich gern habilitieren. In meinem Kopf entstehen auch schon erste Bausteine eines Anschlussprojektes. Und wenn ich in etwas fernerer Zukunft entscheiden könnte, was ich wie und mit wem mache, dann wäre ich aktivistische Professorin der kritischen Sozialwissenschaften. Ich würde mit Kolleg*innen und Studierenden Wissen produzieren, verbreiten und materialisieren, also in Form von Lehr- und Diskussionsveranstaltungen, bestenfalls auch weiterhin mit der Stiftung, bei Klima-Camps, als Teil der Bewegung. Um der multiplen Krise schließlich zu begegnen und das kapitalistische System und eine imperiale Lebensweise, wie Markus Wissen und Ulrich Brand die hegemonialen Produktions- und Konsummuster nennen, zu überwinden, kommen wir an einer radikalen Transformation des Bildungssystems und Institutionen nicht vorbei. Ideen für die Gründung einer autonomen Uni liegen schon in meiner Schreibtischschublade, aber bleiben können sie da eigentlich nicht.