Cenk Nickel ist Stipendiat der Hans-Böckler-Stiftung.
Als Cenk Nickel seinem Grundschullehrer mitteilte, dass er trotz seiner Hauptschulempfehlung auf die Realschule wolle, schüttelte dieser ungläubig den Kopf. Seit 2013 studiert er mit einem Stipendium der Hans-Böckler-Stiftung Jura in Kiel und verbringt derzeit ein Auslandsjahr in Oxford - „ohne mein Stipendium der Hans-Böckler-Stiftung alles undenkbar!“, gibt er offen zu.
„Vom Lernstoff behält er oft nur das, was ihm persönlich wichtig erscheint. – Empfehlung: Hauptschule!“
Je öfter ich über meine Grundschulzeit nachdenke, desto gruseliger finde ich die Vorstellung, dass Kinder noch immer teilweise im Alter von neun Jahren in einer Bildungshierarchie eingeordnet werden. Besonders brisant wird dies, wenn es Kinder betrifft,– zu denen auch ich gehörte, deren Elternhäuser weder die finanziellen Mittel für eine Nachhilfe aufwenden können, noch in der Lage sind, bei der schulischen Entwicklung ihrer Kinder aktiv mitzuwirken. Nach der vierten Klasse wechselte ich auf eine Realschule, auf der es nicht nur etliche pädagogische Konzepte gab, sondern vor allem auch zwei Lehrer*innen, die mich im besonderen Maße gefördert und geprägt haben. Diese Förderung ermöglichte mir sowohl die Querversetzung auf ein Gymnasium in der neunten Klasse als auch schlussendlich mein Abitur im Jahr 2012.
„Fremdwurzeliges“ Engagement
Da ich aus erster Hand erleben durfte, welche Auswirkungen kleine Impulse und Hilfestellungen auf die charakterliche und schulische Entwicklung haben können, fing ich in der neunten Klasse an, mich ehrenamtlich zu engagieren – zunächst mit einer Englisch AG für leistungsschwächere Unterstufenschüler*innen; „Um der Gesellschaft etwas zurückzugeben“, wie man es mancherorts wiederholt lesen wird. In der Oberstufe kam politisches Interesse hinzu und relativ schnell fand ich meine politische Heimat bei der SPD Lübeck, in der ich zunächst im Vorstand der Jusos aktiv war und später die Arbeitsgemeinschaft „Migration und Vielfalt“ ins Leben rief.
Eines meiner aufregendsten Projekte ist die Initiative „Kein Bier für Nazis“, die ursprünglich in Regensburg begann und welche ich mit einer Reihe verschiedener Kooperationspartner*innen nach Lübeck holte. Gastronom*innen, die sich an dieser Initiative beteiligen, symbolisieren bereits an der Eingangstür mit einem Aufkleber „Rassisten werden nicht bedient – gemeinsam gegen Fremdenhass“, dass Fremdenfeindlichkeit in ihrem Lokal nicht erwünscht ist. Selbstverständlich handelt es sich dabei um eine plakative Aktion: Es geht vor allem um die Symbolik und die grundsätzliche Haltung der teilnehmenden Restaurants und weniger um ein konkretes Abweisen an der Eingangstür. Binnen weniger Monate konnten wir 100 Restaurants von der Idee überzeugen und auch die Presse berichtete wohlwollend über die Initiative. Was ich eindeutig unterschätzt hatte, war die Reaktion der rechten Szene: Innerhalb weniger Stunden nach der Veröffentlichung des ersten Zeitungsartikels bekam ich E-Mails, in denen ich unter anderem als „Blutsverräter“ beschimpft wurde. Auch erschienen zum Teil auf rechtsextremen Internetseiten (unfassbar schlecht recherchierte) Beiträge zu der Initiative, in welchen ich selbst urplötzlich Besitzer eines „Dönerladens“ war und auf denen hervorgehoben wurde, dass der „fremdwurzelige“ Cenk Nickel – ein Wort, das mich bis heute auf eine schräge Art und Weise fasziniert – von Gastarbeiter*innen abstamme.
Mein Weg in die Stiftung
Ich wurde durch die „Böckler-Aktion Bildung“ in die Förderung aufgenommen. Das Konzept „du studierst, wir zahlen“ ermöglicht mir einerseits weiterhin ehrenamtlich aktiv zu bleiben, andererseits mich ohne finanzielle Sorgen auf das Studium zu konzentrieren. Durch unterschiedlichste Seminare wird mir die Chance geboten, über den Tellerrand hinauszuschauen und meinen persönlich-menschlichen und juristischen Horizont stark zu erweitern. Auch mein Auslandsjahr in Oxford wurde erst durch mein Stipendium der Hans-Böckler-Stiftung ermöglicht. Ich für meinen Teil bin froh, dass es die dreizehn Förderwerke gibt und ermutige alle, die mit dem Gedanken spielen sich zu bewerben, den Schritt zu wagen.
Hier gelangt ihr zu den anderen Einblicken des Monats:
Januar 2017: "Als Botschafter setze ich mich für mehr Chancengleichheit in der Bildung ein
Dezember 2016: "Ein vielfältiges Netzwerk aufbauen"
November 2016: „Ich wollte mich ausprobieren“
Oktober 2016: Bericht von Amina & Corinna
September 2016: Dankbarkeit – ein Bericht von Andreas Wüst
August 2016: Vom Willkommen Heißen zum Ankommen Helfen - Das Flüchtlingslotsenprojekt „Unsere Zukunft. Mit Dir!“
Juli 2016: Denkraum und Diskursmaschine
Juni 2016: Bericht von Lucas Uhlig
Mai 2016: Als Erster in der Familie studieren? Klar, mit einem Stipendium!
April 2016: Den Geflüchteten ein Gesicht geben
März 2016: Bericht von Franziska Pflaum
Februar 2016: Einblick des Monats
Januar 2016: Einblick des Monats
Dezember 2015: 90 Jahre, 90 Köpfe
November 2015: Große und kleine Transformationen
Oktober 2015: Universität für Flüchtlinge
September 2015: Vereinbarkeit von Studium, Ehrenamt und Familie dank der Unterstützung durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung
August 2015: DAS JOURNALISTISCHE FÖRDERPROGRAMM DER HANNS-SEIDEL-STIFTUNG
Juli 2015: Willkommenskultur gegenüber Flüchtlingen. Eine Perspektive zweier Stipendiatinnen des Avicenna-Studienwerks
Juni 2015: Chen Jerusalem, Alumnus des Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks über sein Studium und seine Abschlussarbeit „Cover the Body with Feelings“
Mai 2015: Erstes Absolventenkonzert mit Stipendiatinnen und Stipendiaten aus der Musikerförderung des Cusanuswerks
April 2015: Mitbestimmen und über den Tellerrand schauen — das Evangelische Studienwerk ermöglicht neue Perspektiven
März 2015: Den Gründergeist schon während des Studiums entdeckt
Februar 2015: Bericht von Ronny Zimmermann, Stipendiat der Journalistischen Nachwuchsförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung
Januar 2015: Das FES-Bildungsprogramm von und für Stipendiat_innen
Dezember 2014: Begabtenförderung der Friedrich-Naumann-Stiftung
November 2014: STUDIENSTIFTUNG ZEICHNET BESONDERES ENGAGEMENT AUS: MAXIMILIAN OEHL ERHÄLT DEN „WEITER?GEBEN!“-PREIS 2015
September 2014: Mein Weg zur Hans-Böckler-Stiftung und die Förderung der Stiftung
August 2014: Materielle und ideelle Ermöglichung zum Andersdenken mit einem Stipendium der Rosa-Luxemburg-Stiftung
Juli 2014: Kleine Klassen, echte Profis als Lehrer
Juni 2014: WEITER HORIZONT, ENGE GRENZEN? – Austausch ohne Grenzen in offenes Netzwerk als Teil der „Villigster Gemeinschaft“
Mai 2014: Bericht von Nina Schießl (Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk)
April 2014: Aufbrechen zu neuen Zielen. Mit den Begabtenförderwerken in die Welt. (Bericht von Maria Dillmann, Cusanuswerk)
März 2014: muslimisch – talentiert – engagiert. Avicenna-Studienwerk startet mit der ersten Bewerbungsphase
Februar 2014: "Bei der Stiftung der Deutschen Wirtschaft kommen Studierende aus allen Fachrichtungen zusammen"
Januar 2014: Studieren und Promovieren mit einem Kind oder – man mag es kaum glauben - sogar mehreren Kindern? (Bericht von Helen Schmitt-Lohmann und Laura Solzbacher, Konrad-Adenauer-Stiftung)
Dezember 2013: Ein Tag aus meinem Leben als Stipi von Tina Jung, Stipendiatin der Friedrich-Ebert-Stiftung
November 2013: Abschlussbericht von Olivia Güthling, Altstipendiatin der Friedrich Naumann-Stiftung